DAS ZIEL: EINE NACHHALTIGE PARTIZIPATIVE KULTURPOLITIK

Nach der Darstellung der Akteur_innen einer Transformation der Kulturpolitik, soll in diesem letzten Teil ein Leitfaden des Transformationsprozesses der Kulturpolitk vorgestellt werden. Wie schon angedeutet worden ist, ist das Schlüsselwort dabei »Partizipation«. Hauptbestandteil des Kongresses war ein Aufruf (wenn nicht ein Aufschrei) hin zu einer partizipativen Kulturpolitik. Die Forderung nach einer Beteiligung an den Gestaltungsprozessen der Kulturpolitik wurde sowohl von den Akteur_innen der Freien Szene als auch von Akteur_innen der Stadtentwicklungspolitik und sogar von denen der Kulturpolitik gestellt. Die anwesenden Stadtplaner haben sich gewundert, dass Partizipation noch nicht in der Kulturpolitik angekommen ist, obwohl sie seit über 20 Jahren als Regelung für die Stadtentwicklung besteht. Anwesende Kulturverwalter_innen, wie Daniela Rathe, ehemalige Kulturamtsleiterin der Stadt Tübingen aber auch Martin Schumacher, Dezernent für Kultur, Sport und Wissenschaft der Bundesstadt Bonn, haben es noch einmal betont: Partizipation ist zeitgemäß und auch im Kulturbereich darf dieser Aspekt nicht übergangen werden. Klaus Hebborn, Beigeordneter des Deutschen Städtetags, hat dies kurz und knapp zusammengefasst: »Kultur in der Stadt ist viel mehr als Kultur von der Stadt«. Nur eine partizipative Kulturpolitik würde dem Anspruch einer demokratischen Gesellschaft gerecht werden. In einer Zeit der Bürgergesellschaft ist sozusagen eine solche Gesprächskultur Voraussetzung.

Wie kann man eine partizipative Kulturpolitik gestalten? Welche Vermittlungsinstrumente braucht es dabei (1)? Prozesse und Verfahren wurden im Laufe des Kongresses, vor allem im Rahmen der Workshops, intensiv und konkret herausgearbeitet. Ein wichtiger Aspekt einer solchen partizipativen Gestaltung ist ihre Nachhaltigkeit. Die Vermittlungsinstrumente sollten auf längere Sicht konzipiert werden, sodass sie über den Wechsel der beteiligten Akteur_innen hinaus weiter funktionieren können. Wie kann eine stets wechselnde Dauerhaftigkeit gestaltet werden (2)?

1. Vermittlungsinstrumente schaffen

Die Darstellung der unterschiedlichen Vermittlungsinstrumente benötigt zuerst Klärung. Das grundlegende Ergebnis der Diskussionen, welches zugleich eine Voraussetzung und ein Ziel darstellt, bündelt sich in einem Wort: Haltung. Wie Jonas Büchel, Stadtplaner und Kulturmanager, Mitbegründer und Geschäftsführer des Urban Institut in Riga, es mehrfach auf den Punkt gebracht hat, hängt die angestrebte Transformation der Kulturpolitik wesentlich von der Frage der Haltung ab. Damit ein Dialog entsteht, müssen sich die beteiligten Akteur_innen als gleichberechtigte und würdige Ansprechpartner_innen gegenseitig anerkennen (s. das Interview mit Stefanie Raab). Dabei soll ein Raum der Verhandlung entstehen können. Im Grunde genommen geht es darum sich von einer sogenannten Tretze-Situation weg, hinzu einer Arena-Situation zu bewegen. Tretze (auch Neckball, Schweinchen in der Mitte oder Dummer Hans genannt) ist ein einfaches Ballspiel für mindestens drei Personen, in dem zwei Außenspieler sich einen Ball gegenseitig zuwerfen, ohne dass der Innenspieler diesen fangen kann. So kindlich diese Metapher auch erscheinen mag, so sagt sie doch viel über die aktuellen Verhältnisse der Teilnehmer_innen des kulturpolitischen Spiels aus. Die Akteur_innen der Freien Szene haben mehrmals betont, dass sie sich in einer Bittsteller-Position gefangen fühlen, von der sie sich befreien wollen:

Sie fordern einen Dialog auf Augenhöhe mit den kommunalen Entscheidungsträger_innen im Kulturbereich. Sie fordern konkret dazu auf gleichberechtigte Entscheidungsträger_innen zu werden. Kulturpolitik soll in einem Dialog entstehen:

Partizipatives Verfahren: gemeinsame kulturpolitische Ziele zusammen entwickeln

»Kulturbeiräte als Instrument konzeptbasierter und beteiligungsorientierter Kulturpolitik. Formen, Potenziale und Herausforderungen« von Dr. Patrick S. Föhl und Alexandra Künzel Im Kongress wurden unterschiedliche Beispiele von partizipativen Verfahren in der Stadtentwicklungs- und Kulturpolitik vorgestellt: Ob »Runder Tisch«, »Kulturrat«, »Kulturbeirat«, »Jour Fixe« oder »Think Tank«, alle diese Termini bezeichnen eine regelmäßige Begegnung von unterschiedlichen Kategorien von Akteur_innen um ein gemeinsames Thema an einem Tisch zu diskutieren. Es sind Verhandlungsarenen. Ihr Aufbau eröffnet mehrere Fragestellungen: Wer nimmt daran teil? Wer entscheidet über die Zusammensetzung? In welchem Turnus? Wo soll die Begegnung stattfinden? Von wem soll sie geleitet bzw. moderiert werden? Welche Ergebnisse werden angestrebt und wie werden sie in reales, kommunales Handeln umgesetzt?

In Bezug auf den Dialog zwischen Freier Szene und kommunalen Entscheidungsträger_innen im Kulturbereich wurden mehrere Modelle hervorgehoben. Dabei gibt es vier Möglichkeiten, je nach dem, ob das Gespräch sich nur auf drei Akteur_innen (Freie Szene, Kulturverwaltung und Kulturpolitik) beschränkt oder ob weitere Akteur_innen des Kulturbereichs (u.a. die Vertreter der öffentlich gesteuerten Institutionen) mit dazu gezählt werden. In diesem Zusammenhang wird die Problematik des Spartensystems aufgedeckt. Hier werden vier Möglichkeiten anhand von Beispielen aus dem Kongress vorgestellt.

• Die erste mögliche Zusammensetzung besteht aus allen Akteur_innen des Kulturbereichs mit Vertreter_innen der Kulturverwaltung und Kulturpolitik, was sowohl die Intendanz der Oper als auch Sprecher_innen der Freien Tanzszene als auch Vertreter_innen der soziokulturellen Zentren einbeziehen kann. Dies bildet ein Modell des Kulturparlaments wie es in Brno in der Tschechischen Republik seit kurzem existiert. Pavla SpurnáPavla Spurná
Brno kulturni
Brünn (CZ)
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Pavla Spurná, Mitbegründerin von Brno kulturni, einem Zusammenschluss unabhängiger Kulturakteur_innen und –organisationen in Brno, hat von der Entstehung des Kulturparlaments berichtet. Nach der Ankündigung der Schließung der dortigen Oper, ist eine kulturpolitische Bewegung in Brno zu Stande gekommen. 2000 Menschen gingen auf die Straße, um diese Entscheidung aufzuhalten. Sie wendeten sich durch sechs Statements an die Öffentlichkeit. Die Kürzung erfolgte trotzdem, aber durch diese Entwicklung war man in der Lage ein Kulturparlament ins Leben zu rufen. Das Kulturparlament bildet einen Begegnungsort, wo jede­/r Interessierte frei sprechen kann (Katalog Best practice). Das Kulturforum Leipzig zählt auch zu dieser ersten Zusammensetzungsmöglichkeit, insofern dies die Akteur_innen aus Kultur, Politik, Wissenschaft und der Freien Szene für aktuelle künstlerische und politische Diskurse vernetzt. Das Kulturforum Leipzig wird im Auftrag des Stadtrats seit 2012 jährlich vom Dezernat für Kultur organisiert. Diese erste Zusammensetzung fungiert als ein basisdemokratischer Ort der Diskursproduktion. Die Breite der Themen und der Zusammensetzung ermöglicht es aber nicht, zu konkreten Verhandlungen überzugehen.

• Die zweite mögliche Zusammensetzung besteht aus allen Vertreter_innen einer Sparte des Kultur- und Kunstbereichs mit Vertreter_innen der Kulturverwaltung und Kulturpolitik: z.B allen Akteur_innen des Theaterbereichs, von freien Theaterschaffenden über freie Theaterinstitutionen bis hin zum Leiter des Staatstheaters. Solche Runden Tische wurden u.a in Bonn aber auch in Tübingen getestet. Martin Schumacher, Dezernent für Kultur, Sport und Wissenschaft der Bundesstadt Bonn, hat zehn Runde Tische je nach Fachbereich ins Leben gerufen, zu denen er fünfzehn aktive Kulturproduzenten – »diejenigen die danach mit diesem Konzept leben müssen«– eingeladen hat. Pro Tisch war ein/e Spartensprecher_in der Freien Szene vertreten, dessen/deren Aufgabe es war, die Diskussionen zurück in die Freie Szene zu tragen. Ähnlich ist es in Tübingen abgelaufen. Daniela Rathe, zu der Zeit Kulturamtsleiterin der Stadt Tübingen, hat spartenspezifische Workshops veranstaltet (insgesamt 24) zu denen sie alle Akteur_innen einer Sparte an einen Tisch gebracht hat. In beiden Fällen ging die Initiative von der Verwaltung aus. Die Auswahl der Teilnehmer­_innen wurde ebenfalls einseitig von der Verwaltung beschlossen. Diese zweite Zusammensetzung bietet einen einmaligen Begegnungsort aller aktiven Produzent_innen einer Sparte, die sich sonst nicht so leicht begegnen. Die begrenzte Teilnehmer_innen-Zahl ermöglicht einen fokussierten Arbeitsmodus über eine Vision für die Sparte. Die Zusammensetzung sollte jedoch nicht einseitig von der Verwaltung entschieden werden. Außerdem grenzt das Spartensystem interdisziplinäre Kunst- und Kulturpraktiken aus, die zunehmende eine wichtige Rolle im Kulturbereich spielen.

• Die drittmögliche Form einer Zusammensetzung besteht aus Vertreter_innen der gesamten Freien Szene (also spartenübergreifend) und der Kulturverwaltung und Kulturpolitik: z.B alle Spartensprecher_innen der Freien Szene von Theater, Musik, Tanz, Literatur, Bildende Kunst bis hin zu Soziokultur. Da bildet der Runde Tisch der Freien Szene Leipzigs ein treffendes Beispiel. Es versammelt alle Spartensprecher_innen der Freien Szene mit dem Kulturdezernenten, Vertreter_innen der Parteien und des Fachausschusses Kultur. Dadurch wird es ermöglicht spezifische Bedürfnisse der Akteur_innen der Freien Szene spartenübergreifend darzulegen. Dabei wird aber die Freie Szene selbst als ein extra-Bereich (wenn nicht als sogar extra Sparte) der Kulturlandschaft behandelt, was etwas problematisch werden kann, weil es die Freie Szene als marginalen Akteur in die Ecke drängt.

• Die vierte mögliche Zusammensetzung besteht aus Vertreter_innen einer Sparte der Freien Szene und der Kulturverwaltung und eventuell auch der Kulturpolitik: z.B. nur die Spartensprecher_innen der Freien Szene für Bildende Kunst. Ein Beispiel dafür ist der regelmäßige Jour Fixe in Berlin zwischen der Kulturverwaltung und Vertreter_innen des Berliner Netzwerks freier Projekträume und -initiativen. Sie treffen sich alle zwei Monate. Der Vorteil einer solchen Zusammensetzung ist ein konzentrierter Arbeitsmodus. Die Aufmerksamkeit der Kulturverwalter_innen bzw. politiker_innen ist einem Thema ganz zugeteilt. In Berlin bestehen mehrere solcher engen Dialogarenen je nach Sparte, über die Initiative Neue Musik, das LAFT oder auch das Tanzbüro. Der Nachteil, wie Christophe Knoch, Sprecher der Koalition der Freien Szene aller Künste Berlin erinnert hat, ist, dass ein solches Verfahren unglaublich zeitaufwändig wäre, wenn es alle Bereiche der Freien Kultur abbilden sollte und dass die Sparten dadurch gegeneinander ausgespielt werden könnten. Es schafft eine gewisse Konkurrenz zwischen den jeweiligen Sparten.

Neben der Zusammensetzung wurde im Laufe des Kongresses über andere formelle Elemente der Zusammenarbeit diskutiert. Die Frage des Ortes wurde dabei stark thematisiert. Warum sollen die runden Tische immer in der Verwaltung stattfinden? Dr. Martin SchwegmannDr. Martin Schwegmann
Actors of Urban Change
Berlin
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Martin Schwegmann, Leiter des Programms »Actors of Urban Change« der Robert Bosch Stiftung und des MitOst e.V., hat die Wichtigkeit eines neutralen Orts hervorgehoben. Dadurch wird ein Verhältnis auf Augenhöhe gefördert bzw. bewahrt. Zusätzlich zur Idee eines neutralen Ortes wurde ebenfalls eine Rotationslösung angedeutet. Die Treffen sollen in unterschiedlichen Produktionsstätten der Freien Szene stattfinden, um Einblicke in die Produktionsweise zu ermöglichen. Außerdem wurde die Rolle eines Moderatoren/ einer Moderatorin aufgeworfen. Es sollte ein externer Moderator oder eine externe Moderatorin sein, der/die in die Gespräche einführt und sie moderiert, damit sie nicht de facto von den traditionellen Entscheidungsträger_innen geleitet werden. Die Einbindung eines externen Moderators/ einer externen Moderatorin würde ebenfalls entscheidend dazu beitragen, dass die Verhandlungen auf Augenhöhe stattfinden. Dazu haben sich mehrere Referent_innen während des Kongresses geäußert, die ihre Aufgabe als Schnittstellemanagement bzw. Zwischenraummanagement darstellten. Wie Dr. Patrick Föhl, Gründer und Leiter des Netzwerks Kulturberatung aus Berlin aber auch Michal Hladký, Designer und Projektleiter der europäischen Kulturhauptstadt Košice 2013 betont haben, brauchen solche Verhandlungen Menschen, die sich mit dieser Schnittstelle gut auskennen. Sie können zwischen den Akteur_innen vermitteln damit ein Konsens gefunden wird. Auf diesen Vorschlag hin kam aber die berechtigte Frage seitens der Freien Szene auf: Wer soll eine solche Vermittlungsaufgabe bezahlen?

Kommunikation fördern

Neben dem formellen Rahmen eines Runden Tisches wurde ebenfalls diskutiert, in welcher Art und Weise sich Outputs solcher Verhandlungen konzipieren sollten. Laut Martin Schumacher, Dezernent für Kultur, Sport und Wissenschaft der Bundesstadt Bonn, wird in Bonn nach jedem Runden Tisch ein öffentlicher Bericht veröffentlicht. Dabei stellt sich die Frage, wer diesen Bericht schreibt und ob er aus den Sitzungsprotokollen entwickelt werden soll.

Solche Verhandlungen verfolgen in manchen Fällen als ursprüngliches Ziel die Erarbeitung eines Dokumentes. Das ist z.B. der Fall gewesen in Bonn mit der Erarbeitung eines partizipativen Kulturentwicklungensplans, aber ebenfalls in Leipzig, wo die Runden Tische der Freien Kulturszene auf die Konzeption des Kulturentwicklungensplans 2009-2015 abgezielt haben.

Die Veröffentlichung der Verhandlungen in jeglicher Form ist notwendig, um die dadurch geführte Debatte wieder einem breiteren gesellschaftlichen und politischen Rahmen zuzuführen. Wichtig ist dabei, dass der Inhalt, der nach außen kommuniziert wird, zusammen genau abgestimmt wurde. Bei diesen Veröffentlichungen ist zu bedenken, dass laufende Prozesse (z.B. die Entwicklung neuer kulturpolitischer Zielstellungen oder Förderverfahren) möglichst nicht durch eine zu frühe, mediengetragene Öffentlichkeit gestört werden dürfen. Die Sensibilität der verhandelten Themen erfordert also von den Gesprächsteilnehmer_innen ein abgestimmtes, verantwortungsvolles und verlässliches Kommunikationsverhalten.

2. Die Frage der Nachhaltigkeit

Eine partizipative Kulturpolitik soll auf eine nachhaltige Gesprächskultur zielen. Die Nachhaltigkeit ist ein dringender Aspekt des Zusammenarbeitsprozesses, der von vorn herein bedacht werden muss. Vermittlungsinstrumente sollen dauerhaft konzipiert werden, so dass sie über den stetigen Wechsel beteiligter Akteur_innen hinaus weiter funktionieren können. Wie kann eine stets wechselnde Dauerhaftigkeit gestaltet werden?

Sowohl seitens der Kulturpolitiker­_innen als auch seitens der Sprecher_innen der Freien Szene gibt es die Problematik des Wechsels der Beteiligten; nur bei der Kulturverwaltung kann eine gewisse Kontinuität gewährleistet werden. Aus diesem Grund soll eine Kontinuität über die Akteur_innen hinaus geschaffen werden - aber wie?

Archivierung des Wissens

Kulturpolitiker_innen sitzen fünf Jahre im Kulturausschuss. Sie müssen sich dabei schnell in den kulturpolitischen Diskurs ihrer Stadt einarbeiten und die daraus entstehenden Herausforderungen verstehen, die sie zu lösen haben. Das Kennenlernen der Akteur_innen benötigt viel Zeit, die sehr schnell wieder um ist. Annette Körner, kultur- und wirtschaftspolitische Sprecherin für Bündnis 90/ Die Grünen im Stadtrat und Vorsitzende des Kulturausschusses in Leipzig, hat darüber berichtet, wie sie gerade am Erlernen solcher Strukturen ist, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Sie meinte, dass die Geschäftsstelle [der Partei] ihr die alten Beschlüsse gebracht hat, damit sie einen überblick bekommen kann, was alles schon diskutiert wurde. Die Vermittlung der Beschlüsse läuft über die Fraktion. Die Archivierung der Debatte und Entscheidungen bildet in dem Sinne eine freiwillige Aufgabe. Es ist nicht klar, ob jede Partei dabei mitmacht. Außerdem wäre hier die Frage wichtig, wie die Archivierung aufgebaut ist: Ist sie thematisch oder chronologisch strukturiert? Wie können die Mitglieder_innen des Kulturausschusses einen gründlichen Einblick aus diesem Material gewinnen?

Wie Dr. Patrick Föhl, Gründer und Leiter des Netzwerks Kulturberatung aus Berlin, es angerissen hat, brauchen solche Verhandlungen Kommunikationsgefäße, wo sich alle treffen. Das sind die Kulturknoten. Die Kontinuität und die Archivierung der Verhandlungen machen die Qualität der Kulturpolitik aus.

Neben der Aufgabe der Veröffentlichung der Verhandlungen sollte über ein Archivierungssystem nachgedacht werden, im Sinne einer liquid democracy. Jeder Beschluss, jede Verhandlung um öffentliche Gelder sollte veröffentlicht werden und zugänglich sein.

Stichwort Vertrauen

Neben der Informationsvermittlung kann eine partizipative Kulturpolitik nur nachhaltig abgehandelt werden, insoweit das Vertrauen zwischen den Akteur_innen bewahrt werden kann. Es mag wie eine Banalität klingen, es ist aber ein Bestandteil des Dialogs. Martin Schumacher, Dezernent für Kultur, Sport und Wissenschaft der Bundesstadt Bonn, hat Folgendes geäußert: die Phase der Implementierung ist sehr wichtig. Als Kulturpolitiker­_in bzw. -verwalter_in sollte man wirklich implementieren was diskutiert worden ist. Eine partizipative Kulturpolitik braucht Konsequenz. Es dürfen nicht nur »schöne Wörter« fallen, die gemeinsam und partizipativ entwickelt worden sind, nur um dann in einer Schublade vergessen zu werden.

Im Fall von Bonn hat er berichtet dass der Runde Tisch weiterhin besteht, obwohl der Kulturentwicklungsplan jetzt feststeht. Die Implementierung wird gemeinsam diskutiert und begleitet. Außerdem wird alle sechs Monate durch das Kulturamt ein Bericht vorgelegt, der den Implementierungsprozess öffentlich zugänglich macht.

Reflexivität pflegen

Um solche Zusammenarbeit nachhaltig zu gestalten, sollte sie, laut vielen Referent_innen im Kongress, von der Wissenschaft und von Wissensaustausch begleitet werden. Der Einbezug der Wissenschaft kann einen Gesamtüberblick über die Thematik ermöglichen und dazu Wissen schaffen. Es geht dann darum Reflexivität über die eigene Position, über die Position der Anderen und über deren Wechselwirkungen zu erschaffen. Neben Wissenschaft sollte ebenfalls der Wissensaustausch mit Akteur_innen aus anderen Städten bzw. Ländern gefördert werden. Darüber können best practices zirkulieren und ihren eigenen Kontext bereichern.

Der Kongress ist dafür ein treffendes Beispiel. Es wurden mit über vierzig internationalen Expert_innen, unter anderem aus Frankreich, England, Polen, Griechenland, der Slowakei, Tschechien und Lettland sowie aus ganz Deutschland Begriffe erörtert, Beispiele gesammelt und Handlungsempfehlungen erarbeitet, aber auch zahlreiche neue interessante Kontakte geknüpft. Die mehr als fünfzig Teilnehmer_innen aus Wissenschaft, Freier Szene, Verwaltung und Politik brachten aus unterschiedlichen Hintergründen sehr vielfältiges Know-How in die Diskussionen ein. Solche Ereignisse bündeln Bewusstsein und vermitteln auch eine gewisse Begeisterung, um weiter an diesem Ziel einer nachhaltigen und partizipativen Kulturpolitik zu arbeiten.

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